Zweite Staffel im Streaming
Serienmörder im Hinterwald: Im Neowestern „Joe Pickett“ stößt der Held an seine Grenzen
Zwei zum Dauerbingen: Julianna Guill als Marybeth Pickett und Michael Dorman sind die Helden der Serie „Joe Pickett“, von der jetzt Staffel zwei online steht – bei Paramount+. Unbedingt empfehlenswert.
Quelle: picture alliance / Everett Collection
Der nette Wildhüter und seine liebenswerte Frau geraten in der zweiten Staffel von „Joe Pickett (bereits streambar bei Paramount+) an einen Serienmörder. Außerdem durchwandert der Titelheld der Serie nach den Romanen von C. J. Box das tiefe Tal eines alten Traumas und verrät sein dunkelstes Geheimnis.
Wenn Wapitihirsche gärendes Obst fressen, wird ihr Blut promillig. Und wenn diese riesigen Stirnwaffenträger betrunken sind, sind sie bereit für Randale, dann halten sie die grünen Geländewagen von Wildhütern mit deren imposanten Stoßfängern schon mal für Gegner, auf die in jedem Fall mit dem Geweih losgegangen werden muss. Und so hat der Dienstwagen des neuen Wildhüters Joe Pickett erstmal Werkstattbedarf. Die Szene zu Beginn der zweiten Staffel der Serie um einen guten Mann mit Naturbezug in einem verbrechensaffinen Nest namens Saddlestring im US-Bundesstaat Wyoming lässt den Zuschauer schmunzeln.
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Tiere hatten dem Neuen ja schon in der ersten Staffel Scherereien gemacht – ein Laufvogel von der Emufarm zweier ältlicher Schwestern hatte hartschnabelig auf Joe eingehackt. Und dann gab es noch die vermeintlich ausgestorbenen Wiesel, die Pipelinegewinnlern im Weg waren. Der Showdown der ersten Staffel fand ihretwegen statt und war ein Nervenfresser.
Seine Superkorrektheit bringt Joe Pickett erneut fast ins Grab
Weil die erste Season der (Neo-)Western-Serie mit zwei Jahren Verspätung ins Portfolio von Paramount+ gerutscht war, folgt die zweite Staffel der Verfilmungen von C. J. Box’ Romanreihe nun praktisch auf dem Fuße. Auch diesmal stolpert Pickett durch seine Korrektheit beinahe in ein frühes Grab.
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Denn am Bermuda Mountain, dort, wo fast niemand hinkommt, leben unentdeckt die Brüder Caleb und Camish Grimmengruber, zwei Meter große, grobschlächtige Typen, beide von dem famosen Alex Breaux gespielt, die wie Hillbillys aus dem Horrorcomic wirken, Leute von der Sorte, die einem zur Begrüßung schon mal die ölverschmierte Kettensäge stumpf durch den Brustkorb schicken.
Pickett hat Caleb dabei ertappt, wie er am Swanson Lake in bester Gollum-Manier einen frisch geangelten Fisch roh und mit dem Kopf voran verschlang. Nein, Caleb Grimmengruber hat natürlich keine Lizenz zum Fischen, sein Bruder auch nicht, dafür ein Zeltcamp voller Tierknochen, Waffen und von der Bibel nur – das lässt nichts Gutes ahnen – den alten Auge-um-Auge-Teil im Rucksack. Pickett braucht aber eine Lizenz und zückt auch schon wieder den Block mit den Bußzetteln.
Und so reitet unser Held nach langen und beunruhigenden Minuten in Gesellschaft der offenbar komplett irren und mordbereiten Zwillinge um sein Leben. Zwei Pfeile treffen sein Pferd Lizzie, einer ihn selbst und mit Grauen muss er mit ansehen, wie die Grimmengrubers die rohe Leber seines geliebtes Gauls verspeisen. Er kommt davon – knapp.
Suche nach einem Serienmörder: Schläft der Sheriff?
Und er gerät alsdann in Ermittlungsfälle, die der örtliche Sheriff Barnum (Patrick Gallagher) und sein Deputy McLanahan (Chad Rook) offenbar nur halbherzig verfolgen. Eine junge indigene Frau namens Marissa Left Hand (Tanchay Redvers) ist spurlos verschwunden, und ihr aufgewühlter Vater (Sean Wie Mah) stößt bei den Behörden auf taube Ohren.
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Eine Frau sucht überdies ihren Mann, einen passionierten Jäger, der von einem Trip nicht zurückkam, und auch hier ist die Exekutive kaum zur Arbeit zu bewegen. Ein stolzer Jagdpreisträger, der 28 Jahre auf die Auszeichnung warten musste, wird auf offener Festbühne mit Kunstblut übergossen – Stephen Kings „Carrie“ lässt grüßen –, weil der Wildlife-Aktivist Klamath Moore (Aaron Dean Eisenberg) mit seiner Entourage an Saddlestrings Wildschützen ein Exempel statuieren wollte.
Schließlich taucht die Leiche des vermissten Jägers auf, entsetzlich zugerichtet, und es bleibt nicht bei der einen. Ein Serienmörder scheint umzugehen. Joe Pickett kann die Trägheit des Polizeiapparats nicht nachvollziehen. Er hebt die Jagdsaison auf – mehr Feinde kann man sich nicht machen – und begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit. Seine Frau Marybeth ist dann später auch mit von der Detektivpartie.
Joe Picketts Kindheitstrauma drängt an die Oberfläche
Marybeth Pickett – die fantastische Julianna Guill spielt sie als die Pferdestehlfrau Nummer eins im Seriengewerbe, klug, mütterlich, einfühlsam und ausgestattet mit einem Herzen, so groß, dass selbst der Gütigste der TV-Familie Walton nicht mithalten kann. Die Anwältin wird diesmal auf eine harte Probe gestellt, denn in Joe Pickett wühlt zusätzlich zu den ungelösten Verbrechen der Gegenwart noch das Trauma einer Kindheit voller Missbrauch, Gewalt und Tod.
Die erste Staffel hatte mit einer privaten Tragödie geendet. Und so will Joe Frau und drei (Zieh-)Töchter diesmal raushalten. Joe Pickett, nett, umgänglich, beruflich gegebenenfalls stur, wird grüblerisch, schweigsam, und gelegentlich – nicht immer passend – übermannt ihn die Wut. Seine Hände zittern, sein Mund zuckt, die Augen werden finster und – Michael Dorman spielt die Erschöpfung eindringlich – ein Gefangener seiner selbst. Joe Pickett will anders und kann doch nicht. Und das eröffnet ihm zu Hause eine zweite Front. Entfremdung und Abstand, wo eben noch Umarmung war.
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Drama, Cliffhanger, Zwei-Episoden-Showdown
Showrunner Drew Dowdle und seine Autoren erzeugen mit dem Mix aus Thrill und Gefühl einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, die Cliffhanger lassen einen nur so durch die zehn Episoden der – wohltuend – komplett vorgelegten Staffel flitzen. Die Charaktere sind differenziert genug, um auch „Longmire“- und „Yellowstone“-Fans im Handstreich zu erobern. Mit Marybeths Mutter Missy (Sharon Lawrence), einer aparten Trinkerin, die zum Glück nur einen Barhocker braucht, und dem selbstgefälligen Depp-Deputy McLanahan (Chad Rook) sind freilich auch Karikaturen an Bord.
Der Showdown der zweiten Staffel geht dann wieder über zwei Folgen und hält mühelos das Niveau des ersten finalen Waffengangs. Superspannend. Unglaubliche Dinge passieren. Ein Storybogen zur möglichen dritten Season wird auch noch geschlagen.
Am Ende hat das alles auch noch mit dem ungeschlachten Brüderpaar zu tun. Und Pickett verrät den Grimmengrubers und uns, dem Publikum, was seine Liebe zur Natur und sein Dienst an ihr mit den Misshandlungen durch den Vater und dem Tod seines Bruders zu tun hatte, auch wie sein Bruder starb und weshalb dieser Tod noch immer in ihm wühlt.
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Und man erfährt auch, was es mit der Zivilisationsflucht der Grimmengrubers, der „Gebrüder Grimm“, auf sich hat und dass diese grobschlächtigen Riesen, die in Wahrheit ganz anders heißen, zwar gemeingefährlich, aber keineswegs verrückt sind und aus gutem Grund hierher geflüchtet sind. Und nein, auch wenn Joe Pickett eine differenzierte Haltung zur Jagd hat und ein anständiger Konservativer ist – seine Abenteuer lassen sich von Maga-Quark-Faslern nicht vereinnahmen.
„Joe Pickett 3“ wurde indes bislang noch nicht beschlossen: Paramount, überleg nicht lange!
„Joe Pickett“, Staffel 2, zehn Episoden, mit Michael Dorman, Julianna Guill, Mustafa Speaks, Patrick Gallagher, Emily Alabi, Tanchjay Redvers, Alex Breaux, Vivienne Guynn, Skywalker Hughes, Sean Wei Mah, Sharon Lawrence (bereits streambar bei Paramount+).